Alle lieben Tulpen? Eine kurze Ursprungsgeschichte der Tulpe als niederländisches Kulturgut

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Wie ist es möglich, dass eine einzelne Tulpe mehr als das Jahreseinkommen eines durchschnittlichen Arbeiters kostet, und wer ist nicht in der Lage, an einer Tulpe vorbeizugehen, ohne sie mit einem Stock zu schlagen? Dieser Artikel befasst sich mit der Tulpenmanie in den Niederlanden und der Bedeutung dieser Pflanze für die heutigen Niederlande.

Die Niederlande sind weltweit bekannt für ihre Tulpen – ein Symbol, das neben Windmühlen und Käse als fest verankertes Kulturgut gilt (Niederländisches Büro für Tourismus & Convention, o. D.). Dies lässt sich sicherlich einerseits durch die wirtschaftliche Profitabilität erklären. Schließlich sind die Niederlande Spitzenreiter der Exporteure von Blumen und Pflanzen und waren zwischen 2022 und 2023 für 48,3% der weltweiten Exporte dieser Kategorie verantwortlich (International Trade Centre. o. D). Besonders Schnittblumen und Blumensträuße stellen nach lebenden Pflanzen die zweitgrößte Umsatzkategorie dar (International Trade Centre. o. D.).

Darüber hinaus sind Blumen- und Tulpenfelder jährlich zwischen März und Mai ein Touristenmagnet. Ein herausragendes Beispiel dafür ist der Keukenhof in der Bollenstreek – einer Region, die für ihre Blumenzwiebeln bekannt ist. Allein im Jahr 2024 besuchten 1,4 Millionen Menschen diesen ikonischen Blumengarten (Keukenhof, 2024).

Doch wie konnte die Tulpe eine derart prägende Stellung in der niederländischen Kultur einnehmen? Welchen Einfluss hat sie bis heute auf das Land? Dieser Artikel beleuchtet die historische und kulturelle Bedeutung der Tulpe für die Niederlande.

© Saskia Vandenbussche

Die Tulpenmanie im 16. Jahrhundert

Der Beginn der Faszinationim Goldenen Zeitalter

Laut Wilfrid Blunt erfolgte die erste schriftliche Erwähnung in der westlichen Literatur der heute weit verbreiteten Tulpe Mitte des 16. Jahrhunderts in der Türkei (Blunt, 1950, 8). Ein flämischer Botschafter namens Busbeqc entdeckte die Blume dort und brachte seinem Kaiser Ferdinand I dessen Samen sowie möglicherweise Blüten (ibid.). Von dort aus verbreitete sich die Tulpe in verschiedenen europäischen Ländern, darunter Flandern und den Niederlanden – dem sogenannten „spirituellen Zuhause“ (Blunt, 1950, 8) der Tulpe. Es ist unklar, wann genau die erste Tulpe in den Niederlanden gepflanzt wurde, jedoch pflanzte der berühmte Botaniker Carolus Clusius im Jahr 1592 Tulpensorten aus seiner exquisiten Sammlung im Universitätsgarten in Leiden (Moser, 2020). Im Europa des 16. Und 17. Jahrhunderts gewann diese besondere Pflanze schnell an Beliebtheit und fand nicht nur in Fachbücher der Hortikultur und Gärtnerei Eintritt, sondern auch in die Poesie, Mode, Gastronomie und Kunst (Blunt, 1950, 9-12). Von dieser neuen Blüte ging schließlich ein besonderer Reiz aus: Mit ihrer scheinbar unendlichen Farb- und Formvielfalt wurde jede einzelne zu einer einzigartigen Rarität und ihrer extrem kurzen Blütezeit (Moser, 2020) machte sie zugleich zu einem Sinnbild der Vergänglichkeit (Blunt, 1950, 9-12). Aufgrund der komplizierten Beschaffung der Blüte aus Ländern wie der Türkei war das Tulpenangebot gering und so entwickelte sie sich einerseits zu einem exotischem Luxusprodukt für die wohlhabende Oberschicht und andererseits als Faszinationsobjekt der Botanik, Kunst und Literatur (Blunt, 1950, 9-12).

Die niederländische Tulpenmanie (1634-1637)

Die Tulpen, die in den Niederlanden Faszination erregten, wurden von Anfang an von Blumenliebhabern, sogenannten Bloemisten (Moser, 2020), gesammelt, getauscht und verkauft (Moser, 2020). Der Großteil der Verkäufe fand im Auktionsstil in ausgewählten Gaststätten und Tavernen statt und wurde von Kollegien des Tulpenhandels organisiert (Blunt, 1950, 14). Jedoch war die Verkaufssaison für die Tulpenzwiebeln äußerst kurz, denn sie blühten im Frühjahr wenige Tage und mussten dann ausgegraben und verpackt werden, um jeglichen Schaden zu vermeiden (Moser, 2020). Der Verkauf der Zwiebeln verlief also auf Vertrauensbasis, denn das Verkaufsversprechen und die Zahlung fanden meist weit vor der Übergabe statt, was Täuschung und Betrug begünstigte (Blunt, 1950, 15). Dies verschärfte sich zunehmend, da sich mehr Menschen, darunter auch solche ohne fachliche Vorkenntnisse, der Blumenzucht widmeten (Blunt, 1950, 13) und die Nachfrage nach extravaganteren und selteneren Tulpen stieg (Moser, 2020). Sehr bald pflanzte jeder, der über ein paar Quadratmeter Land verfügte, Tulpen (Blunt, 1950, 13) und es wurden Tulpen für einen hohen Preis gekauft, um sie für einen noch höheren Preis zu verkaufen. Die Preise stiegen weiter an und erreichten im Winter 1636/37 ihren Höhepunkt. So wird berichtet, dass sich die Preise für bestimmte Sorten zwischen 1632 und 1637 verfünfzigfacht haben und es soll Preise gegeben haben, die das Jahreseinkommen eines durchschnittlichen Handwerkers überstiegen (Pierenkemper, 2011, 147).

Im Februar 1637 brach der Markt dann abrupt zusammen: Bei einer Auktion in Haarlem fanden sich plötzlich keine Käufer mehr, und das Vertrauen in den Tulpenhandel schwand rapide (Blunt, 1950, 16). Dies führte zu einem panikartigen Verkaufsansturm, in dem Preise innerhalb weniger Tage dramatisch fielen. Viele Händler und Spekulanten erlitten hohe Verluste, da sie die teuren Tulpenzwiebeln nicht mehr weiterverkaufen konnten (Moser, 2020). Der Staat griff schließlich ein, indem er versuchte, zwischen Gläubigern und Schuldnern zu vermitteln, doch die „Entschädigung in Höhe von 3,5 bis fünf Prozent des Kaufpreises“ (Moser, 2020) bot wenig Trost.

© Saskia Vandenbussche

Die Tulpenmanie – eine Spekulationsblase?

Die Tulpenmanie wird in manchen wissenschaftlichen Kreisen als die erste dokumentierte Spekulationsblase betrachtet und bietet wertvolle Einblicke in die Dynamik von Märkten sowie in scheinbar irrationale Marktbewegungen. Der Begriff „Tulpenmanie“ wird heute stellvertretend genutzt, um Spekulationsblasen oder „spekulative Manie“ (Garber, 1989, 536) zu bezeichnen (French, 2006, 3). Bei Spekulationsblasen handelt es sich um Situationen, in denen sich Preise entgegen wirtschaftlichen Regeln entwickeln (French, 2006, 3). Sie passieren, wenn der Preis eines Assets viel höher ist, als er eigentlich basierend auf den echten Werten und Daten sein sollte. Diese überhöhten Preise entstehen, weil unerfahrene Verkäufer*innen (Jenks, 2010) glauben, dass der Preis in Zukunft noch weiter steigen wird – auch wenn es dafür keine echten Gründe gibt. Sie erwerben das Asset dann, um es zu einem höheren Preis zu verkaufen (Jenks, 2010). Die Blase platzt, wenn die potenziellen Kunden merken, dass der Preis nicht weiter steigen kann, und die Preise plötzlich stark fallen (Weerth, 2018).

Die Ursachen für Spekulationsblasen sind umstritten und es gibt Akademiker*innen, wie Garber (1989) und Thompson (2007), die argumentieren, dass die Tulpenmanie des 17. Jahrhunderts kein Fall einer Spekulationsblase ist. Sie führen an, dass die Marktteilnehmer rationale Entscheidungen auf der Grundlage der damaligen Marktbedingungen und Erwartungen trafen und dass die „Manie“ ein Beispiel für Markteffizienz darstellt.

French (2006) setzt die Tulpenmanie in ihren wirtschaftlichen Kontext und arbeitet heraus, dass die wirtschaftliche Lage der Niederlande zur Zeit der Tulpenmanie von bedeutenden geldpolitischen Veränderungen geprägt war (French, 2006). So führten die Praxis der freien Münzprägung, die Eingriffe in den Münzwert durch u.a. Karl V und die Gründung der Bank von Amsterdam zu einem wirtschaftlichen Umfeld, das für Spekulation und Fehlinvestitionen anfällig war (French, 2006).

Die Rolle der Tulpe in den Niederlanden des 21. Jahrhunderts– Alle lieben Tulpen?

Die Tulpe wurde also insgesamt als edel, rar, wertvoll und luxuriös angesehen. Während der Hochzeit der Tulpenmanie gab es aber auch Menschen, die diese Blüten verachteten. Blunt spricht von einer „kleinen, aber äußerst aggressiven Gruppe von Tulpenhassern, angeführt von Evrard Forstius, die bei jeder Begegnung mit einer Tulpe wütend mit ihrem Stock auf sie einschlugen“ (Blunt, 1950, 15). Diese Antipathie gegenüber Tulpen scheint in den Niederlanden jedoch keinen größeren Anklang zu finden, denn die Tulpe übernimmt als Kulturgut eine bedeutende symbolische Rolle. Sie steht nicht nur für die wirtschaftliche Vormachtstellung in der Blumenzucht, sondern weckt auch nationalen Stolz. Die Niederlande nutzen die Tulpe als Symbol der Hoffnung und des Wiederaufbaus in internationalen Beziehungen – so wurden z.B. 115.000 Tulpen als Zeichen der Solidarität und Unterstützung an die Ukraine gespendet (Odessa Journal, 2023). 1945 schickte das niederländische Königshaus 100.000 Tulpenzwiebeln nach Ottawa als Dank für den dreijährigen kanadischen Schutz der zukünftigen Königin Juliana und ihrer Familie während der Besetzung der Niederlande durch die Nazis im Zweiten Weltkrieg. Auch heute noch schicken die Niederlande jedes Jahr 20.000 Blumenzwiebeln nach Kanada. Darüber hinaus ist die Tulpe tief in der niederländischen Kunst, Literatur und Popkultur verankert (Schipper, 2017). Nach Gebhart (2014) wäre es in einem weiteren Schritt interessant, die Assoziierungen, Bedeutungen und Sprache zu untersuchen, die der Tulpe in den Niederlanden zugeschrieben wird, zu analysieren. 

Niederländische Tulpen in Ottawa © Saskia Vandenbussche

Literaturverzeichnis

International Trade Centre. (o. D.). TradeMap. abgerufen am 17.03.2025, von https://www.trademap.org/Country_SelProduct.aspx?nvpm=1%7c%7c%7c%7c%7c06%7c%7c%7c2%7c1%7c1%7c2%7c1%7c1%7c2%7c1%7c1%7c1

Blunt, W. (1950). Tulipomania

French, D. (2006). The Dutch Monetary Environment during Tulipmania. Quarterly Journal of AustrianEconomics9(1), 3–14. https://doi.org/10.1007/s12113-006-1000-6 

Garber, P. M. (1989). Tulipmania. Journal of Political Economy97(3), 535. https://doi.org/10.1086/261615 

Gebhardt, A. (2014). Holland Flowering: How the Dutch Flower Industry Conquered the World. Amsterdam University Press. https://doi.org/10.2307/j.ctt128783w

Jenks, S. (2010). 8 – Banken und die Finanzkrise. Abgerufen am 19. März 2025 von[https://www.fau.tv/clip/id/904]

Thompson, E. A. (2007). The tulipmania: Fact or artifact? Public Choice130(1/2), 99–114. https://doi.org/10.1007/s11127-006-9074-4

Keukenhof. (2024, 13. Mai). Keukenhof sluit een succesvol jubileumseizoen. Keukenhof.https://keukenhof.nl/nl/nieuws/keukenhof-sluit-een-succesvol-jubileumseizoen

Niederländisches Büro für Tourismus & Convention. (o. D.). BluhendeNiederlande. Holland.com. Abgerufen am 18. März 2025 von [https://www.holland.com/de/tourist/lass-dich-inspirieren/nl-in-7-geschichten/bluhende-niederlande]

Pierenkemper, T. (2011). Von der Tulpenkrise zum Finanzmarktkollaps. Das Allgemeine im Besonderen. Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte /EconomicHistoryYearbook52(1), 139 160. https://doi.org/10.1524/jbwg.2011.52.1.139

Schipper, C. (2017, 13. Oktober). Why Are Tulips Common In Dutch Art? Amsterdam Tulip Museum. Abgerufen am 19. März 2025 von:[https://amsterdamtulipmuseum.com/blogs/tulip-facts/why-are-tulips-common-in-dutch-art]

Odessa Journal. (2023, December 26). The Kingdom of the Netherlands has giftedKyiv over 115,000 tulips. The Odessa Journal. https://odessa-journal.com/the-kingdom-of-the-netherlands-has-gifted-kyiv-over-115000-tulips

Weerth, C., (2018, 19. Februar). Spekulative Blase. Abgerufen am 19. März 2025 von: [https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/spekulative-blase-45041/version-268341]

Katharina Buchta (Autorin) & Saskia Vandenbussche (Betreuung)

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