Der ,Blumenmaler‘ Pierre-Joseph Redouté

Inhaltsverzeichnis

Verflechtungen aus Kunst und Wissenschaft

Die Gemälde des Malers Pierre-Joseph Redouté (1759-1840)[1] tragen auf den ersten Blick ungewöhnliche Titel: „Ayapana triplinervis“, „Franklinia alatamaha“ oder auch „Bracteantha bracteata“ sind nur einige Beispiele.[2] Tatsächlich handelt es sich hierbei um wissenschaftliche Bezeichnungen: Redouté malte nämlich mit Vorliebe zarte Pflanzenaquarelle, auf denen er die realen Vorbilder naturgetreu dokumentierte.[3] Lange vor der Entdeckung des Fotoapparats zeichnete er die feinste Wurzeln, Blätter und Blütenköpfe derart detailliert ein, dass man meint, das ,Original‘ vergrößert vor sich zu sehen. Was genau war das Geheimnis seiner Blumenminiaturen? Der folgende Beitrag begibt sich auf die Spur eines Malers, der seinerzeit die niederländische, belgische/luxemburgische und französische Kultur miteinander verband und obendrein niederländische Wissenschaft an den Hof Napoleons brachte.

‚Benelux‘- Wurzeln

Redouté erblickte 1759 das Licht der Welt in Saint Hubert, eine Stadt, die heute zu der Provinz Luxemburg in Belgien gehört, damals aber Teil des  Großherzogtum Luxemburgs (1815-1890) war.

© Rijksmuseum Amsterdam.
Porträt von Pierre Joseph Redouté (1811)

Seine Familie verdingte sich durch Kirchenmalereien, eine Disziplin, die auf seine späteren Werke vorausweisen könnte: Die Freude an Ästhetik und Details wird Redouté als Kind sicherlich erlebt haben.[4] Dennoch entfernte er sich sukzessive von seinen künstlerischen Wurzeln, als sein Talent andere Blüten trieb: Insbesondere die niederländische Kunst in Amsterdam wurde ihm zum wesentlichsten Vorbild. Darunter fielen auch die Blumenstillleben von van Huysums.[5]

Die niederländische Kunst hatte ihre Blütezeit im damals so genannten ,goldenen Zeitalter‘.[6] Ob der Begriff angesichts der kritischen Reflektion des Kolonialismus angemessen ist, wird in den Niederlanden heutzutage kontrovers diskutiert.[7] Fest steht aber: Nach den Aufständen der Niederländer und Flamen gegen die spanische Krone (ab 1566) und der Gründung der Republik der Vereinigten Niederlande (1581) entstand ein reger Warenmarkt und in der Folge trieben die Wirtschaft und die Kunst der Niederlande reiche Blüten.[8] Aufgrund der hohen bürgerlichen Nachfrage nach Kunstwerken für die heimischen vier Wände entstand eine große Zahl an technisch virtuos gefertigten Gemälden, welche Motiviken aus dem heimischen Interieur zeigten: Blumenvasen und -sträuße sowie Darstellungen bürgerlicher Esstische oder auch Vermeers „Mädchen, das Milch einschenkt“ (heute oft „Das Milchmädchen“ genannt) und das sehr bekannte „Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“.[9] Doch auch Historienmalerei erfreute sich einiger Beliebtheit, wie auch biblische Reminiszenzen à la Rembrandt.[10] All diese Kunstrichtungen einte die gestalterische Präzision, mit der in der Republik der Vereinigten Niederlande flächendeckend gearbeitet wurde.

Die Akademie der Schönen Künste institutionalisierte schließlich die niederländische Kunstförderung. Wie alle neu gegründeten niederländischen Akademien erwarb sie im Ausland bald einen guten Ruf: Ihnen kam eine kulturelle und wissenschaftliche Vorbildrolle zu.[11] Wie die aktuelle Niederlandistik belegt, lassen sich einige als ,preußische‘ geltende Errungenschaften auf diese Blütezeit der niederländischen Kultur zurückführen. Hierzu gehören Entwicklungen im Bereich des Rechts, des Handels, der Kunst und des Militärwesens.[12] Ebenfalls belegt ist die Verbreitung des Neostoizismus, die der Flame Justus Lipsius entscheidend befördert hat.[13]

In dieser allgemeinen Blütezeit der niederländischen Kunst und Wissenschaft war also [14]eine Form der Malerei entstanden, welche mit Akribie die Welt abzubilden intendierte. Redouté entschied sich demnach aus guten Gründen, in Amsterdam die Blumengemälde Jan van Huysums zu studieren.[15] Bald entwickelte auch er einen präzisen, naturgetreuen Stil, der ihm ermöglichte, die feinsten Blütenblätter abzubilden. Aufgrund seiner Fähigkeiten und des internationalen Ansehens niederländischer Malerei wurde er bald an den französischen Hof beordert.[16]

Blumenminiaturist am französischen Hof

In Frankreich hatte die Blumenmalerei ebenfalls Tradition, wenn auch aus einer anderen Motivation heraus: Das Auskundschaften der biologischen Vielheit der Welt und deren naturnahe Nachahmung galt als Insigne der königlichen Dynastie.[17] Deshalb hatte man bereits den Niederländer van Spaendock beauftragt, eine malerische Dokumentation verschiedenster Blumen- und Pflanzenarten anzufertigen.[18]

Nach der französischen Revolution erwarb Josephine, die Ehefrau Napoleon Bonapartes, 1799 das von Gärten und Parks gerahmte Schloss Malmaison.[19] Als ,Blumenfreundin‘ schuf sie mithilfe von Architekten und Ingenieuren ein gärtnerisches Kunstwerk, darunter einen antiken Neptunbrunnen, eine Kopie vom Apollon von Belvedere und einen ,Tempel der Liebe‘.[20] Auch seltenere Pflanzenarten sollten in ihrem Garten erhalten bleiben – physisch, aber auch als Dokumentationen in der Kunst.[21] Gemäß der Tradition des vergangenen Königshauses engagierte sie Pierre-Joseph Redouté für die Abbildung der vielen Pflanzen, welche aus allen Ecken der Welt in Josephines Garten importiert worden waren.[22]

© Wikimedia Commons. P.J. Redouté: Rosa Gallica

So malte Redouté in seinem Pariser Atelier die „Description des plantes rares cultivées à Malmaison et à Navarre“, die „Beschreibung seltener, in Malmaison und Navarre kultivierter Pflanzen“.[23] Diese Sammlung einzelner Miniaturen verzeichnet wie ein biologisches Lehrbuch auf jeder Seite eine einzelne Pflanze: Sie wurde jeweils von den Blütenköpfen bis hin zu den feinen Wurzeln mithilfe von Aquarellfarben detailliert nachgeahmt.[24] Auf jedem Pergament stand in feiner Schrift der botanische Name des entsprechenden Pflänzchen.[25] Zusätzlich ergänzte Redouté auf wissenschaftlich-exakte Weise neben der eigentlichen Pflanze zusätzliche weitere Details: In Schwarzweiß finden sich etwa vergrößerte Zeichnungen von Samen und einzelnen Blütenköpfen.[26] Damit erreicht er einen Grad an Exaktheit, der den Vergleich mit heutigen Fotografien kaum scheut. Insofern bietet jedes seiner Bilder Aufschluss über eine unerschöpfliche pflanzliche Vielfalt der Welt.

Verflechtungen aus Tradition und Aufklärung

Redouté war demnach an einem Kulturtransfer beteiligt: Er ,importierte‘ einen aus Amsterdam hergebrachten Blick für das präzise Detail und durchsetzte die französische Repräsentationskunst mit einem wissenschaftlichen Gestus. Statt einzelne Formen zu idealisieren, dienen seine Pflanzenaquarelle dem nüchtern-objektiven Erkenntnisfortschritt. Diese Art der Malerei erforderte neben langjähriger handwerklicher Übung eine außerordentlich ruhige Hand sowie eine Ausdauer und Disziplin, die er gewiss aus den niederländischen Malereien gebracht hat. Diese offensichtliche Präzision erinnert also an das vergangene Erbe des sogenannten ,goldenen Zeitalters‘.[27] Zudem zeugt seine Detailgenauigkeit von einer aufklärerischen Wissenssuche: Redoutés über 100 Miniaturen wirken wie Abbildungen unter einem Mikroskop.[28] Dies mochte damals umso mehr erstaunen, da botanische Enzyklopädien nicht wie heute massenhafte Verbreitung gefunden haben.

© Wikimedia Commons. P.J. Redouté: Acacia Armata

Vielleicht auch deshalb beteiligte sich Redouté an dem Druck einiger Kopien, welche in ganz Europa an wohlhabende Personen des öffentlichen und bürgerlichen Lebens verkauft oder verschenkt wurden.[29] In jedem Arbeitsschritt bemühte sich der Künstler, den Eindruck der Echtheit der einzelnen Bilder am Leben zu halten: Um die Feinheit der Aquarellbilder zu gewährleisten, arbeitete man mit weichen Kupferplatten, in die mit feinsten Stahlspitzen die Vorlage hinein geprägt wurde.[30] Die anschließend zugegebene Farbe musste von Hand vorsichtig abgenommen werden, damit sie nur in den kleinen Vertiefungen zurück bleibt.[31] Die einzelnen Abzüge kontrollierte Redouté schließlich mit einem feinen Pinsel und Wasserfarben, um etwaige Fehler zu korrigieren. Auf diese Weise schuf er Farbdrucke von genauester Qualität.[32]

Die einzelnen Unikate wurden anschließend in ungebundener Form weitergegeben und von den neuen Besitzern mit einem individuellen Einband versehen.[33] Somit handelt es sich bei den heute enthaltenen Exemplaren um eine Reihe verschiedenster Einzelstücke, die alle von der Hand des Künstlers nachbearbeitet wurden. Es handelt es sich als um keine mechanische Reproduktion im heutigen Sinne, sondern um eine sehr aufwändige, manuelle Bearbeitung, an deren letzter Stelle immer das künstlerisch geschulte Auge stand.

Fazit

Redoutés Blumenkunst steht exemplarisch für einen Prozess des Kulturtransfers, welcher in den europäischen Ländern seit dem 16. Jahrhundert von den Niederlanden ausging: Die damalige Unabhängigkeit von Spanien läutete eine Blütephase von Kunst und Wissenschaft ein, welche niederländische Künstler und Gelehrte zu Vorbildern im gesamten europäischen Raum werden ließ. Entsprechende Einflüsse sind beispielsweise in Bezug auf Preußen sehr gut belegt. Redouté brachte demnach als Nachgeborene der niederländischen Hochphase einen Kunststil nach Frankreich, welchen man ‚wissenschaftlich‘ nennen kann: Seine präzisen Zeichnungen dokumentieren aufs Genaueste die realen Blumen und bringen demnach damals wie heute botanischen Erkenntnisfortschritt.

Redoutés Blumenaquarelle lassen demnach diese Tradition der niederländischen Kunst zu einem verspäteten Höhepunkt erblühen und verbinden diese obendrein mit technischen Errungenschaften seit der Aufklärung: Seine persönlich geprüften, von Hand korrigierten Nachdrucke der einzelnen Miniaturen eignen sich damals wie heute zum persönlichen wie zum akademischen Studium.

Quellen

Brandenburg, Sabine und Bilan, Marija: „Niederlande 15. Bis 17. Jahrhundert.“ Auf: Blog Kunstgeschichte der Uni Freiburg, URL: https://www.blogkunstgeschichte.uni-freiburg.de/startseite/niederlande/ [zuletzt am: 14.09.2024].

Driessen, Christoph: „Die Niederländer streiten über ihr ,Goldenes Zeitalter‘.“ In: Aachener Zeitung (18.11.2019), URL: https://www.aachener-zeitung.de/region-nrw/niederlande/die-niederlander-streiten-uber-ihr-goldenes-zeitalter/4071988.html [zuletzt am: 14.09.2024].

Lack, Hans Walter und Heilmeyer, Marina: Jardin de la Malmaison : ein Garten für Kaiserin Josephine. München [u.a.]: Prestel 2004.

Oestreich, Gerhard: „Justus Lipsius und der politische Neustoizismus in Europa“. In: Neymeyr, Barbara [Hg.]: Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik : eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Moderne. 1. Berlin [u.a.]: de Gruyter 2008.

„Pierre Joseph Redouté: Les Liliacées. Paris 1802-1816.“ Auf: Universität Regensburg Bibliothek, URL: https://www.uni-regensburg.de/bibliothek/ritterstern/darstellungen/redoute/index.html [zuletzt am: 14.09.2024].

Bildquellen

Bild 1: Wikimedia Commons. Public Domain. URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7c/Lis_bulbif%C3%A8re.jpg

Bild 2: Wikimedia Commons. Public Domain. URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/20/Vintage_Flower_illustration_by_Pierre-Joseph_Redout%C3%A9%2C_digitally_enhanced_by_rawpixel_85.jpg

Bild 3: Wikimedia Commons. Public Domain. URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a4/Pierre-Joseph_Redout%C3%A9_-_Eucomis_Punctata%2C_Plate_208_from_Les_Liliac%C3%A9es%2C_volume_4%2C_Paris%2C_1802-1816_-_B2012.33.4_-_Yale_Center_for_British_Art.jpg

Bild 4: Wikimedia Commons. Public Domain. URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/39/Pierre-Joseph_Redout%C3%A9_-_Crocus_Luteus_%28Crocus_Aureus_or_Golden_Crocus%29_and_Safran_Jaune%2C_Plate_196_from_Les_Liliac%C3%A9es_-_B2012.33.3_-_Yale_Center_for_British_Art.jpg

[1] Vgl. „Pierre Joseph Redouté: Les Liliacées. Paris 1802-1816.“ Auf: Universität Regensburg Bibliothek, URL: https://www.uni-regensburg.de/bibliothek/ritterstern/darstellungen/redoute/index.html [zuletzt am: 14.09.2024].

[2] Vgl. Lack, Hans Walter und Heilmeyer, Marina: Jardin de la Malmaison : ein Garten für Kaiserin Josephine. München [u.a.]: Prestel 2004. S. 66, 68, 70.

[3] Vgl. ebd.

[4] Vgl. ebd.

[5] Vgl. ebd.

[6] Vgl. Brandenburg, Sabine und Bilan, Marija: „Niederlande 15. Bis 17. Jahrhundert.“ Auf: Blog Kunstgeschichte der Uni Freiburg, URL: https://www.blogkunstgeschichte.uni-freiburg.de/startseite/niederlande/ [zuletzt am: 14.09.2024].

[7] Vgl. Driessen, Christoph: „Die Niederländer streiten über ihr ,Goldenes Zeitalter‘.“ In: Aachener Zeitung (18.11.2019), URL: https://www.aachener-zeitung.de/region-nrw/niederlande/die-niederlander-streiten-uber-ihr-goldenes-zeitalter/4071988.html [zuletzt am: 14.09.2024].

[8] Vgl. Brandenburg, Sabine und Bilan, Marija: „Niederlande 15. Bis 17. Jahrhundert.“ Auf: Blog Kunstgeschichte der Uni Freiburg, URL: https://www.blogkunstgeschichte.uni-freiburg.de/startseite/niederlande/ [zuletzt am: 14.09.2024].

[9] Vgl. ebd.

[10] Vgl. ebd.

[11] Vgl. Oestreich, Gerhard: „Justus Lipsius und der politische Neustoizismus in Europa“. In: Neymeyr, Barbara [Hg.]: Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik : eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Moderne. 1. Berlin [u.a.]: de Gruyter 2008. S. 604-609.

[12] Vgl. ebd.

[13] Vgl. ebd.

[14] Vgl. ebd.

[15] Vgl.. „Pierre Joseph Redouté: Les Liliacées. Paris 1802-1816.“ Auf: Universität Regensburg Bibliothek, URL: https://www.uni-regensburg.de/bibliothek/ritterstern/darstellungen/redoute/index.html [zuletzt am: 14.09.2024].

[16] Vgl. ebd.

[17] Vgl. Lack, Hans Walter und Heilmeyer, Marina: Jardin de la Malmaison : ein Garten für Kaiserin Josephine. München [u.a.]: Prestel 2004. S. 37.

[18] Vgl. ebd.

[19] Vgl. ebd. S. 10.

[20] Vgl. ebd., S. 24-32.

[21] Vgl. ebd., S. 32-35.

[22] Vgl. ebd., S. 37.

[23] Vgl. ebd., S. 37-40.

[24] Vgl. ebd., S. 65-305.

[25] Vgl. ebd.

[26] Vgl. ebd.

[27] Vgl. Oestreich, Gerhard: „Justus Lipsius und der politische Neustoizismus in Europa“. In: Neymeyr, Barbara [Hg.]: Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik : eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Moderne. 1. Berlin [u.a.]: de Gruyter 2008. S. 604-609.

[28] Vgl. Lack, Hans Walter und Heilmeyer, Marina: Jardin de la Malmaison : ein Garten für Kaiserin Josephine. München [u.a.]: Prestel 2004. S. 65-305.

[29] Vgl. ebd., S. 37-41.

[30] Vgl. ebd.

[31] Vgl. ebd.

[32] Vgl. ebd.

[33] Vgl. ebd.

Bild von Sabrina Jordt (Autorin) & Saskia Vandenbussche (Betreuung)

Sabrina Jordt (Autorin) & Saskia Vandenbussche (Betreuung)

Weitere Artikel zum Thema