Einleitung
1958 wurde der erste Benelux-Vertrag geschlossen – zunächst mit einer Laufzeit von 50 Jahren. Nach Ablauf dieser Zeit beschlossen Belgien, Niederlande und Luxemburg die Erneuerung des Vertrages und damit die Unterzeichnung eines neuen Benelux-Vertrags. Seit der Unterzeichnung dieses erneuerten Benelux-Vertrags 2008 ist nicht nur die trilaterale Zusammenarbeit der drei namensgebenden Länder vertraglich festgeschrieben, sondern auch ihre Kooperation in Form der Benelux-Union mit dem deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW). Damit ist diese Verbindung unter all den auswärtigen Beziehungen, die die Benelux-Union unterhält, besonders hervorzuheben, da es sich hier um eine institutionalisierte Zusammenarbeit handelt. Im Rahmen dieser privilegierten Partnerschaft arbeiten die Benelux-Länder und das deutsche Bundesland auf verschiedenen Gebieten vertieft zusammen, so zum Beispiel im Bereich von Polizei, Arbeitsmarkt oder Verkehr. Im Jahr 2019 wurde darüber hinaus die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen NRW und der Benelux-Union durch eine weitere politische Erklärung erneuert. Wie hat sich die Zusammenarbeit zwischen den beiden Partnern seit ihrer Etablierung entwickelt? Konnten die Erwartungen und Forderung der beteiligten Seiten erfüllt werden? Die Beantwortung dieser Fragen soll sich im Folgenden angenähert werden, indem die Kooperation der Benelux-Union und NRW entlang der genannten Knotenpunkte genauer untersucht wird.
Dafür sollen zunächst die Erwartungen und Forderungen Flanderns, der Niederlande und Nordrhein-Westfalens an diese Zusammenarbeit im Kontext des Benelux-Vertrags von 2008 beleuchtet werden, um ein Verständnis dafür zu vermitteln, was man sich ursprünglich von dieser institutionalisierten Kooperation versprach. Flandern und die Niederlande wurden bewusst als zu analysierende Akteure auf Seiten der Benelux-Union gewählt, da sie durch die geographische Nähe und gemeinsame Grenze zu NRW, sowie enge wirtschaftliche Verbindungen durch die Häfen Antwerpen, Rotterdam und Duisburg besonders wichtige Partner für Nordrhein-Westfalen sind. Im Anschluss daran wird die Entwicklung der Zusammenarbeit bis 2019 in den Fokus gerückt, hierzu dient die Untersuchung der Ergebnisse der Clingendael-Studie, die eine Auswertung der Zusammenarbeit der Benelux-Union von 2013-2019 zum Gegenstand hatte. Im Anschluss daran soll vor dem Hintergrund der entstandenen Jahres- bzw. Mehrjahrespläne die Entwicklung der Kooperation mit NRW seit der politischen Erklärung von 2019 betrachtet werden. Angesichts des Rahmens dieser Arbeit beschränkt sich die Analyse der Zusammenarbeit dabei auf drei ausgewählte Themenbereiche, die zu den Kernarbeitsbereichen der Benelux-Union gehören: innere Sicherheit, Energie und Arbeitsmobilität. Danach soll durch die Betrachtung des aktuellen Jahresplans für 2025 und Mehrjahresplans für 2025-2028 der aktuelle Stand der Kooperation kurz umrissen werden, bevor ein abschließendes Fazit gezogen wird, indem die Ergebnisse zusammengefasst werden und gegebenenfalls die Notwendigkeit eines neuen Kooperationsabkommens evaluiert wird.
Der Benelux-Vertrag und die Kooperation mit NRW
Zunächst sollen die Anfänge der privilegierten Partnerschaften zwischen Benelux-Union und NRW in den Blick genommen werden, um zu einem Verständnis dafür zu bekommen, was man sich von dieser Zusammenarbeit auf verschiedenen Seiten erhoffte und welche Forderungen es auch im Vorfeld gab.
Erwartungen und Forderungen der Niederlande
Im Jahr 2007, ein Jahr vor der Unterzeichnung des erneuerten Benelux-Vertrags, gab der Adviesraad Internationale Vraagstukken (AIV) ein Paper heraus, das die zukünftige Arbeit der Benelux-Kooperation diskutiert. Zu diesem Zeitpunkt war bereits entschieden, dass die Kooperation fortgesetzt wird. Das Paper widmete sich also vor allem Fragen, die den Inhalt der Zusammenarbeit betrafen, z. B. welchen Arbeitsbereichen sich die Benelux-Union bevorzugt widmen sollte, welche Veränderungen eine effektive Funktionsweise der Benelux-Union ermöglichen würden oder welche Rolle die einzelnen Organe der Benelux-Union einnehmen sollten[1]. Dabei wird auch besonders die Frage in den Blick genommen, inwiefern die Benelux-Zusammenarbeit innerhalb der größeren Zusammenarbeit der Europäischen Union sinnvoll sein und einen Mehrwert haben kann[2]. Dabei werden die Zuständigkeiten und Tätigkeitsbereiche der Benelux Economische Unie (BEU) und der Benelux politieke samenwerking (BPS) voneinander getrennt und separat dargestellt[3]. Einen weiteren wichtigen Pfeiler des Papers bildet die Frage nach dem Standort der Benelux-Zusammenarbeit, die auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden kann: die breitere Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union, die exklusive Zusammenarbeit der drei Vertragspartner, die Zusammenarbeit der Benelux-Staaten mit anderen (Nachbar-)Ländern („Benelux-plus“), die Formen bilateraler Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten und die Kooperation mit anderen regionalen Verbindungen, wie z. B. der Visegràd-Gruppe[4].
Vor dem Hintergrund der Analyse dieser Aspekte kommt der Adviesraad Internationale Vraagstukken zu dem Schluss, dass die Benelux-Zusammenarbeit sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf politischer Ebene einen Mehrwert bietet und fortgesetzt werden sollte[5]. Der AIV hebt vor allem die besondere Stellung der Benelux-Union innerhalb der Europäischen Union als Vorbild, Modell, Vorläufer und Grundsteinleger für europäische Integration hervor und bezeichnet die Benelux-Union auch als „natuurlijk samenwerkingsverband“ und „enige als effectief beschouwde regionale samenwerkingsverband“[6]. Gleichzeitig ist man sich bewusst, dass die Benelux-Union ein Zusammenschluss kleinerer Länder ist, die als Teil einer Kooperation größerer Länder enger werden muss, um die Vorreiterrolle wahren zu können[7].
Angesichts dessen kommt der AIV zu mehreren Empfehlungen für die weitere Gestaltung der Benelux-Zusammenarbeit: Die Benelux Economische Unie betreffend fordert der AIV beispielsweise eine politische Erklärung abseits des Benelux-Vertrags, die die Kernaufgaben der BEU konstatiert[8]. Außerdem soll durch bürgernahe Projekte die Sichtbarkeit der Benelux-Union erhöht werden[9]. Der Fokus der die BEU betreffenden Forderungen liegt allerdings auf den auswärtigen Beziehungen: der AIV empfiehlt, die Zusammenarbeit der AIV nicht auf die drei Partnerländer zu beschränken, sondern für jedes dieser Länder Raum für bilaterale Projekte mit anderen Ländern zu lassen[10]. Außerdem sehen die Ratsmitglieder für die Stärkung der Laborfunktion der Benelux-Union für die EU die Notwendigkeit, Wege für die Zusammenarbeit der Benelux- Staaten mit Nachbarländern und -regionen, sie verweisen hier konkret auf Benelux-plus, zu schaffen[11]. Außerdem soll nach Möglichkeit die BEU-Zusammenarbeit mit anderen regionalen Zusammenschlüssen wie dem Nordischen Rat, der Visegràd-Gruppe oder der Baltischen Versammlung eingerichtet werden, um eine engere europäische Zusammenarbeit zu erreichen[12]. Auch für die Benelux Politieke Samenwerking werden Vorschläge formuliert. So soll laut AIV im Rahmen der Vertragsverlängerung (wenn auch nicht explizit im Vertrag) in einer politischen Erklärung die Bedeutung der BPS hervorgehoben werden[13]. Damit soll die auf gemeinsamer Geschichte und engen Verbindungen beruhende besondere, schicksalhafte Verknüpfung der drei Länder betont werden, die sich als natürliche Partner innerhalb des größeren Rahmens der EU verstehen[14]. Ziel ist eine politische Bindung der Partnerländer an die BPS, aber auch eine Festigung der Bedeutung dieser nach außen hin zu erreichen[15]. Die BPS soll außerdem sowohl auf der Ebene der Politik als auch auf der Ebene der Verwaltung intensiviert werden, indem der regelmäßige Austausch der Außenminister*innen und das Festlegen einer gemeinsamen Agenda weiterhin unterstützt werden[16].
Aus diesem Paper geht also insgesamt hervor, dass die Niederlande sich von dem erneuernden Benelux-Vertrag 2008 einen Ausbau der Zusammenarbeit mit anderen Ländern an geeigneter Stelle wünschen, um sich im Rahmen größerer Kooperationen wie der EU weiterhin als Zusammenschluss kleinerer Länder behaupten zu können. Dabei findet in den Empfehlungen des Adviesraad Internationale Vraagstukken besonders oft die Laborfunktion der Benelux-Union für Europa Erwähnung, die in jedem Fall gewahrt und gestärkt werden soll. Sie wird als der größte Mehrwert der Benelux-Zusammenarbeit gesehen, der durch Kooperationen mit anderen (Nachbar-)Ländern und Regionen oder anderen Zusammenschlüssen ausgebaut werden könnte. Daraus lässt sich ableiten, dass die Niederlande eine Kooperation mit Nordrhein-Westfalen angesichts der Vertragsschließung 2008 befürworteten und als Chance zur Wahrung und Festigung der Position der Benelux- Union sahen.
Erwartungen und Forderungen Flanderns
Anlässlich des Auslaufens im des ursprünglichen Benelux-Vertrags von 1958 im Jahr 2010 sah auch die Regierung Flanderns die Notwendigkeit, den flämischen Standpunkt zur Benelux-Union festzustellen und beauftragte 2009 den Strategische Adviesraad internationaal Vlaanderen (SARiV) mit diesem Unterfangen[17]. Im damaligen Regierungsabkommen der flämischen Regierung war die Bestrebung nach einer größeren Rolle in der Weiterführung der Benelux-Zusammenarbeit verankert[18]. Außerdem fallen einige Aspekte des Arbeitsbereichs der BEU in die Befugnis der belgischenRegionen, wie zum Beispiel Wirtschaft, Raumplanung, grenzüberschreitende Zusammenarbeit oder Umweltmanagement[19]. Somit ergibt sich für Flandern die Notwendigkeit der Erörterung des eigenen Standpunkts in Bezug auf die Fortführung der Benelux-Union[20]. In diesem Paper werden zunächst sowohl der aktuelle Stand der Kooperation analysiert als auch die Möglichkeiten einer Reform erörtert, bevor die zukünftige Gestaltung der Zusammenarbeit diskutiert wird[21]. Der SARiV fokussiert sich dabei vor allem auf die Arbeit der BPS, das gemeinsame Arbeitsprogramm, das Potential der Zusammenarbeit für Flandern und das intrabelgische Kooperationsabkommen in Bezug auf die Benelux-Union[22].
Der SARiV stellt ebenfalls die historische Verbindung und die „lotsverbondenheid“ der drei Benelux-Länder als Grundlage für die Partnerschaft heraus[23]. Er sieht vor dem Hintergrund des Wachstums der Europäischen Union auch ein gesteigertes Gewicht größerer Mitgliedsstaaten und damit auch das Potential für eine stärkere Verbindung der drei Mitgliedsländer der Benelux-Union untereinander, was durch die Analyse des ursprünglichen und erneuerten Vertrags verdeutlicht werden soll[24]. Bereits im ursprünglichen Vertrag von 1958 war in Bezug auf die auswärtigen Beziehungen eine gemeinsame Außenpolitik vorgesehen[25]. So wurde beispielsweise eine gemeinschaftliche Handelspolitik in den wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Ausland beschlossen[26]. Trotzdem wird den Benelux-Organen hier noch keine Befugnis erteilt, internationale Bündnisse zu schließen und innerhalb der Benelux-Kooperation werden noch keine gemeinschaftlichen Investitionsabkommen geschlossen[27].
Betreffend der BPS stellt der SARiV drei besonders wichtige Teilaspekte heraus: die Bestimmung eines gemeinsamen Standpunkts zur Stärkung des Einflusses der drei Partnerländer bei der Beschlussfassung in der EU, die Anpassung des Stellenwerts der Benelux-Union an den von anderen internationalen Foren und die Zusammenarbeit mit anderen regionalen Kooperationen, sowie die bilaterale Zusammenarbeit[28].
Nach der Untersuchung des Ursprungsvertrags arbeitet der Rat Möglichkeiten der Um- bzw. Neugestaltung heraus. Dabei ist besonders interessant, dass als besonderer Mehrwert der Benelux-Union die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Laborfunktion für die Europäische Union festgestellt werden[29]. Ziel von Reformen und Überarbeitungen der Benelux-Union sollte laut SARiV daher sein, sich weiter als Motor und Vertiefung der EU zu profilieren, weshalb die europäische Dimension im erneuerten Vertrag stärker berücksichtigt und ausgebaut werden sollte[30]. Bezüglich der auswärtigen Beziehungen stellt der Rat fest, dass viele Autor*innen Benelux-plus als Element mit viel Potential für die zukünftige Benelux-Zusammenarbeit sehen[31]. Besonders der Kooperation mit deutschen und französischen Regionen wird dabei viel Potential zugeschrieben[32]. Explizit betont wird hier wieder, dass die Benelux- Union durch derartige Kooperationen das nötige politische Gewicht bekommen kann, um sich im EU-Verband durchsetzen zu können[33]. Die Erkenntnis des Potentials von Kooperationen mit ausländischen Regionen wird aber nicht nur an den politischen Aspekt, sondern auch an den Ausgangspunkt der räumlich-wirtschaftlichen Sichtweise geknüpft[34]. Der Rat hebt in diesem Zusammenhang aber ausdrücklich hervor, dass solche Kooperationen nie dieselbe Form haben könnten wie eine vollwertige Mitgliedschaft in der Benelux-Union, eher könnte die Rede von einer „associatie“, also einem Verband, einer Verbindung oder Partnerschaft sein, weshalb der Name „Benelux- plus“ verwendet wird[35].
In der Analyse des erneuerten Vertrags wird zunächst festgestellt, dass er alle bestehenden Formen der Zusammenarbeit zwischen den Benelux-Partnern konsolidieren soll[36]. Trotzdem beschränkt er sich nicht auf diese drei Länder, sondern beinhaltet auch Grundlagen für die Zusammenarbeit der Benelux-Union mit Staaten, Teilstaaten und administrativen Einheiten außerhalb der Union[37]. Das Ministerkomitee erhält beispielsweise mit diesem Vertrag die Befugnis, bei der Aufstellung des gemeinsamen Arbeitsplans die Zusammenarbeit mit angrenzenden Staaten, Teilstaaten und administrativen Einheiten zu beschließen[38]. Zusätzlich dazu finden die politische Erklärung der Ministerpräsidenten der Benelux-Länder und des Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens vom Dezember 2008 und der Jahresplan 2009, in dem NRW bereits eine Rolle spielt, Erwähnung[39]. Die ersten Umsetzungen der Benelux-plus-Zusammenarbeit werden als positiv bewertet[40]. Der Rat begrüßt die neuen Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Ländern und betont die Notwendigkeit der Festigung und des Ausbaus solcher Beziehungen[41]. Auch in der Analyse der BPS im Rahmen des neuen Vertrags von 2009 betont der SARiV, dass eine engere Zusammenarbeit der Benelux-Länder und die regionale Zusammenarbeit im Allgemeinen vor dem Hintergrund der wachsenden EU zunehmend an Bedeutung gewinnt, um entsprechendes politisches Gewicht zu erlangen[42]. Als wichtiges Mittel zur Verstärkung der Position der Benelux-Länder sieht er die Beziehungen mit anderen subregionalen Gruppierungen in der EU[43]. Flandern könnte dabei mit seinen etablierten Außenbeziehungen nach bspw. Osteuropa eine zentrale Rolle spielen[44].
Auch in der Analyse des Mehrjahresplans 2009-2012 kommt der Rat zu dem Schluss, dass es wichtig ist, die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern zu stärken, um die europäische Zusammenarbeit zu erleichtern und zu stimulieren[45]. Als Beispiel für die grenzüberschreitende wirtschaftliche Zusammenarbeit nennt der Rat an dieser Stelle das Infrastrukturprojekt „Eiserner Rhein“[46]. Der SARiV betont in diesem Zusammenhang aber auch, dass bei grenzüberschreitender Zusammenarbeit stets abgewogen werden muss, ob die Benelux-Union oder Benelux-plus für das jeweilige Projekt einen Mehrwert bedeuten würden, oder ob sich bspw. die bilaterale Umsetzung besser eignet[47]. In der Analyse des Mehrjahresplans bemängelt der Rat außerdem, dass die Benelux-plus-Zusammenarbeit noch eine Lücke darstellt, das Potential wurde zwar erkannt, jedoch noch nicht (juristisch) ausgearbeitet[48].
Als abschließende Empfehlungen formuliert der SARiV in Bezug auf die auswärtigen Beziehungen, dass das Potential von Benelux-plus ausgeschöpft werden sollte, zum Beispiel durch die Nutzung bestehender Beziehungen der flämischen Regierung[49].
Die Analyse dieses Paper hat gezeigt, dass Flandern den Ausbau von Benelux-plus insgesamt als wünschenswert erachtet und vor allem auf politischer Ebene Kooperation fordert. Es wird deutlich, dass es ein wichtiges Anliegen ist, die flämischen Interessen in einem gesamteuropäischen Kontext durchzusetzen und die auswärtigen Beziehungen und Bündnisse dazu zu nutzen, ein entsprechendes politisches Gegengewicht zu den anderen, zumeist größeren Mitgliedsstaaten in der Beschlussfindung der EU zu finden. Nordrhein-Westfalen wird als wichtiger Partner der Benelux-Union anerkannt, ein „Beitritt“ bzw. eine Mitgliedschaft wird aber ausdrücklich ausgeschlossen, der partnerschaftliche Charakter einer solchen Kooperation hingegen hervorgehoben.
Erwartungen und Forderungen Nordrhein-Westfalens
Ein Jahr vor der Unterzeichnung des neuen Benelux-Vertrags verabschiedete die nordrhein- westfälische NRW-Landtagsfraktion die sogenannte „Düsseldorfer Erklärung“ unter dem Titel „Neue Vitalität für eine europäische Kernregion – Partnerschaft NRW-Benelux vertiefen“[50]. Darin wird zunächst die wachsende Bedeutung des Zusammenspiels von Regionen und der grenzüberschreitenden Kooperationsformen auf regionaler Ebene konstatiert[51]. Es ginge dabei vor allem darum, den Mehrwert der europäischen Idee für Politik, Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft direkt für die Bürger*innen begreifbar zu machen[52]. Die engen bestehenden Beziehungen zwischen NRW und den Benelux-Ländern sind laut der Erklärung zurückzuführen auf räumliche Nähe, gemeinsame Kulturlandschaften und ähnliche Mentalitäten der Bevölkerung zurückzuführen[53]. Daher wird der Benelux-Raum mit Nordrhein-Westfalen zusammen als „europäischer Kultur- und Wirtschaftsraum“ beschrieben[54]. Durch die bereits intensive Zusammenarbeit in den Grenzregionen gibt es laut CDU bereits eine einzigartige Form der Kooperation, die als Normalität wahrgenommen wird und die es zu bewahren und zu pflegen gelte[55]. Die CDU-Landtagsfraktion möchte für die Mitgestaltung Europas die partnerschaftliche Beziehung zu den Beneluxstaaten weiter ausbauen und begrüßt auch den Ausbau der Kooperation mit einzelnen Partnern aus dem Beneluxraum[56]. Um Impulse für die europäische Ebene geben zu können sieht man die Notwendigkeit einer „noch engeren und ganzheitlicheren Form der Zusammenarbeit mit den Beneluxstaaten“[57].
Mit Blick auf das Auslaufen des ursprünglichen Benelux-Vertrags 2010 sieht Nordrhein- Westfalen die einzigartige Chance, die Möglichkeiten einer besonderen Partnerschaft mit der Benelux-Union zu prüfen[58]. Als übergeordnetes Ziel wird das Auftreten innerhalb Europas mit einer starken „NRW-Benelux-Stimme“ genannt, um die gemeinsamen Interessen auf europapolitischer Ebene wahrnehmen zu können[59]. Neue Potentiale, Perspektiven und Wege sollen erarbeitet und erprobt werden, um einen „europäischen Referenzraum ‚NRW-Benelux‘“ auszugestalten, der als Kern und Motor der EU auf regionaler Ebene fungieren kann[60]. Weiterhin ist in diesem Zusammenhang die Rede von einer „um Nordrhein-Westfalen erweiterten Benelux-Union“[61].
Zusammenfassend ist hier also festzustellen, dass sich NRW ähnlich wie die Niederlande und Flandern einen Ausbau der bestehenden Beziehungen wünscht. Genau wie Flandern geht es dem Bundesland dabei um die Stärkung der Stimme in der Europapolitik. Unklar bleibt durch diese Erklärung jedoch der gewünschte Umfang dieses Kooperationsausbaus, können doch Formulierungen wie die vorhergenannte den Eindruck erwecken, das Ziel NRWs sei ein Beitritt zu Benelux-Union, den Flandern in seinem Paper bspw. kategorisch ausschließt. In einem Artikel des Deutschlandfunks wird diese Verwirrung aufgelöst, ein förmlicher Beitritt zur Benelux-Union war nicht das Ziel der CDU-Landtagsfraktion[62]. Als Bundesland könne Nordrhein-Westfalen auch aus völkerrechtlichen Gründen keinem Vertrag beitreten, der zwischen drei selbstständigen Staaten geschlossen wurde[63]. Andreas Krautscheid, der damalige Europaminister NRWs sprach anstelle eines Beitritts von „vertiefter Zusammenarbeit“ oder „privilegierter Partnerschaft“[64]. Als mögliche Kooperationsfelder von NRW und der Benelux-Union nennt er beispielsweise grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gerichten und Polizei, Katastrophen- und Umweltschutz, Tierseuchenbekämpfung, Verkehrs- und Raumplanung sowie die gegenseitige Anerkennung von Bildungsabschlüssen[65]. Ziel der Landesregierung sei es, dass nicht mehr nur die Grenzregionen eng zusammenarbeiten, sondern dass das ganze Bundesland mit den Benelux-Staaten kooperieren könne[66].
Zwischenfazit
Die Untersuchung der Erwartungen und Forderungen der einzelnen Akteure zeigt, dass sie im Vorfeld ganz unterschiedliche Perspektiven auf die Kooperation hatten. Die Niederlande sah vor allem den europäischen Zusammenhang und damit einhergehend die Stärkung der Laborfunktion der Benelux-Union als entscheidenden Vorteil. Aus den Empfehlungen seitens Flanderns geht hervor, dass hier vor allem die Chance gesehen wurde, mehr politisches Gewicht für die Durchsetzung der eigenen Interessen im europäischen Kontext zu gewinnen. Währenddessen sieht NRW Möglichkeiten der Vertiefung bestehender Kooperationen. Die Ziele der Kooperation zwischen den Akteuren bleiben also zu ihrem Beginn noch recht unkonkret, die Erwartungen und Intentionen gehen in unterschiedliche Richtungen. Vor diesem Hintergrund ist es von großem Interesse, im nächsten Teil der Serie die Entwicklung der Kooperation zwischen Benelux-Union und NRW bis zur Erneuerung des Vertrags 2019 genauer in den Blick zu nehmen.
Literaturverzeichnis
Adviesraad Internationale Vraagstukken, Benelux, nut en noodzaak van nauwere samenwerking, Den Haag 2007.
CDU Landtagsfraktion NRW, Neue Vitalität für eine europäische Kernregion – Partnerschaft NRW-Benelux vertiefen. Düsseldorfer Erklärung der CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, Düsseldorf 2007.
SCHULZ, Frederike; HEUER, Christine, NRW will West-Anschluss, Deutschlandfunk Kultur 2008, URL: https://www.deutschlandfunkkultur.de/nrw-will-west-anschluss-100.html (letztmalig abgerufen am 04.04.2025).
Strategische Adviesraad international Vlaanderen, Het Herzieningsverdrag Benelux Unie, Brüssel 2009.
[1] Vgl. Adviesraad Internationale Vraagstukken, Benelux, nut en noodzaak van nauwere samenwerking, Den Haag 2007, S. 7.
[2] Vgl. AIV, Benelux, S. 8.
[3] Vgl. ebd.
[4] Vgl. AIV, Benelux, S. 8f.
[5] Vgl. AIV, Benelux, S. 34
[6] Ebd.
[7] Vgl. AIV, Benelux, S. 35.
[8] Vgl. AIV, Benelux, S. 36.
[9] Vgl. AIV, Benelux, S. 37.
[10] Vgl. AIV, Benelux, S. 36.
[11] Vgl. AIV, Benelux, S. 36f.
[12] Vgl. AIV, Benelux, S. 37.
[13] Vgl. ebd.
[14] Vgl. ebd.
[15] Vgl. ebd.
[16] Vgl. ebd.
[17] Vgl. Strategische Adviesraad international Vlaanderen, Het Herzieningsverdrag Benelux Unie, Brüssel 2009, S. 2.
[18] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 2.
[19] Vgl. ebd.
[20] Vgl. ebd.
[21] Vgl. ebd.
[22] Vgl. ebd.
[23] SARiV, Herzieningsverdrag, S. 3.
[24] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 4.
[25] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 6.
[26] Vgl. ebd.
[27] Vgl. ebd.
[28] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 6f.
[29] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 7.
[30] Vgl. ebd.
[31] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 8.
[32] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 8f.
[33] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 9.
[34] Vgl. ebd.
[35] Ebd.
[36] Vgl. ebd.
[37] Vgl. ebd.
[38] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 11.
[39] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 13.
[40] Vgl. ebd.
[41] Vgl. ebd.
[42] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 14.
[43] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 16.
[44] Vgl. ebd.
[45] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 17.
[46] Vgl. ebd.
[47] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 18.
[48] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 19.
[49] Vgl. SARiV, Herzieningsverdrag, S. 24.
[50] CDU Landtagsfraktion NRW, Neue Vitalität für eine europäische Kernregion – Partnerschaft NRW-Benelux vertiefen. Düsseldorfer Erklärung der CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, Düsseldorf 2007, S. 1.
[51] Vgl. ebd.
[52] Vgl. ebd.
[53] Vgl. ebd.
[54] Vgl. ebd.
[55] Vgl. CDU Landtagsfraktion NRW, Partnerschaft, S. 2.
[56] Vgl. ebd.
[57] Ebd.
[58] Vgl. CDU Landtagsfraktion NRW, Partnerschaft, S. 2f.
[59] CDU Landtagsfraktion NRW, Partnerschaft, S. 3.
[60] Vgl. ebd.
[61] Ebd.
[62] Vgl. SCHULZ/HEUER, NRW will West-Anschluss, Deutschlandfunk Kultur 2008, URL: https://www.deutschlandfunkkultur.de/nrw-will-west-anschluss-100.html.
[63] Vgl. ebd.
[64] Ebd.
[65] Vgl. ebd.
[66] Vgl. ebd.