Einleitung
Angesichts der angeführten Auslotung der Möglichkeiten einer vertieften Partnerschaft zwischen NRW und der Benelux-Union unterzeichneten am 9. Dezember 2008 in Bonn Vertreter der Regierungen Belgiens, der Niederlande, Luxemburgs und Nordrhein-Westfalens die „Politische Erklärung der Regierungen der Mitglieder der Benelux und von Nordrhein- Westfalen über die Entwicklung einer engeren Zusammenarbeit“ (Benelux-Union/NRW 2008). Damit erklärten sie, neue Perspektiven der regionalen und europäischen Zusammenarbeit zwischen der Benelux-Union und angrenzenden Staaten, Gliedstaaten sowie Region zu eröffnen, sowie die Zusammenarbeit der Benelux-Union mit NRW als „natürlichem Partner“ zu vertiefen und zu verbreitern und damit die Möglichkeiten des neuen Benelux-Vertrags auszuschöpfen[1].
Wie dieses Vorhaben konkret umgesetzt wurde, soll nun durch eine Analyse der Kooperation seit ihren Anfängen bis zum Zeitpunkt der erneuten Erklärung 2019 durchgeführt werden. Der Fokus soll dabei auf drei ausgewählte Themenbereiche gelegt werden, die von Beginn an zu den Kernarbeitsgebieten der Benelux-Union gehörten und auch Gegenstand der vertieften Kooperation mit NRW sein sollten: innere Sicherheit, Energie (mit Bezugnahme auf Umwelt- und Klimaschutz), sowie Arbeitsmobilität. Für die Analyse wird die Clingendael-Studie aus dem Jahr 2020 zur Auswertung der Benelux-Zusammenarbeit von 2013-2019 herangezogen.
Innere Sicherheit
In der Clingendael-Studie von 2020 finden sich zwei Fallstudien, die für die Betrachtung des Aspekts „Innere Sicherheit“ von Interesse sind, sie richten sich auf die Themenbereiche Bekämpfung von Steuerbetrug und die Polizeizusammenarbeit.
Seit 2002 ist die Bekämpfung von Steuerbetrug Teil der Zusammenarbeit der Benelux-Union[2]. Ziel ist es, Steuerbetrug vorzubeugen und die Bekämpfung von Steuerbetrug durch internationale Zusammenarbeit durch Informationsaustausch über best practice-Verfahren in den unterschiedlichen Systemen voranzutreiben[3]. In diesem Bereich kommt der Benelux-Union eine spezielle Laborfunktion für die europäische Union zu[4]. Im von der Studie betrachteten Zeitraum nimmt Nordrhein-Westfalen neben Frankreich und Niedersachsen bereits an den Arbeitsgruppen zur Bekämpfung von Steuerbetrug teil[5]. Nordrhein-Westfalen ist u.a. im Bereich des Sportpferdehandels besonders in die Zusammenarbeit der Benelux-Union gegen Steuerbetrug involviert, so wurden zum Beispiel gemeinsame Kontrollen von Transaktionen im Pferdehandel geplant und durchgeführt[6].
Auch die Polizeizusammenarbeit der drei Benelux-Staaten hat bereits eine längere Geschichte, seit 1996 schlossen die drei Länder mehrere gemeinsame Polizeiverträge[7]. Ein wichtiger Arbeitsbereich ist in diesem Kontext zum Beispiel auch die grenzüberschreitende Kriminalität[8]. An der Polizeizusammenarbeit nimmt auch Nordrhein-Westfalen neben den drei Mitgliedsstaaten teil[9]. Diese Mitarbeit umfasst eine Teilnahme auf ad-hoc-Basis an diversen Arbeitsgruppen und einigen Aktivitäten wie gemeinsamen Schulungen und operationellen Übungen[10]. Erwähnenswert ist auch der Aufbau des Euregionaal informatie- en expertisecentrum (EURIEC), das von der EU mitfinanziert wurde und zum Ziel hat, die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen administrativen Einheiten in der Grenzregion von Belgien, der Niederlande und NRW zu verbessern[11]. Ebenso arbeiten Belgien und Deutschland oft auf einer bilateralen Ebene zusammen[12]. Die Niederlande betrachten eine Kooperation mit NRW allein in vielen Fällen auch kritisch und bevorzugen die Zusammenarbeit mit Deutschland auf föderaler Ebene, je nach Zusammenhang[13]. NRW ist trotzdem, vor allem für Belgien und die Niederlande ein wichtiger Partner in der strukturellen Zusammenarbeit der Polizei[14] (Kluft/Nunes/Wilms 2020, 71).
An dieser Stelle sei das Interview mit Dr. Jochen Stöger, Politikberater des Benelux-Generalsekretariats erwähnt, das eine aktuelle Sicht auf diese Zusammenhänge bietet (BeneluxNet 2025: https://benelux.net/der-benelux-polizeivertrag/).
Energie, Umwelt und Klimaschutz
Ein weiterer wichtiger Arbeitsbereich der Benelux-Union ist die Energieversorgung. Die wohl wichtigste Kooperation in diesem Bereich ist das Pentalaterale Energie Forum (PLEF), ein Rahmen für die regionale Zusammenarbeit im Bereich Energie in Zentral-West-Europa[15]. Deutschland und Frankreich waren die ersten Partner der Benelux-Staaten in diesem Projekt, das sich mit den Strommärkten, ihrer Flexibilität und der Versorgungssicherheit befasst[16]. Mittlerweile sind auch die Schweiz und Österreich in diese Zusammenarbeit involviert[17]. Die Benelux-Union spielt insofern eine zentrale Rolle für das pentalaterale Forum, als dass sich diese Kooperation auf die Koordination des Generalsekretariats der Benelux-Union stützt[18]. Die drei Hauptziele des Forums auf dem Weg zu einem regionalen nordwest-europäischen Elektrizitätsmarkt sind die allgemeine Verstärkung des internen Energiemarkts, das Erhöhen der Versorgungssicherheit und die Integration von erneuerbaren Energien in einen flexiblen Energiemarkt[19]. Eine wichtige Aktivität der Benelux-Union im Rahmen des PLEF ist die Gründung eines Wissens- und Expertisenetzwerks für Energie (BEN!EX)[20]. Diese Gruppe aus den Landesregierungen der Benelux-Staaten, Forschungseinrichtungen, relevanten Marktteilnehmern und sektoralen Organisationen und Agenturen fungiert als Fokusgruppe für die strategische Beratung der Benelux-Länder in Bezug auf die Energiewende[21].
Es wird also keine Kooperation der Benelux-Union im Bereich Energie in der Studie erwähnt, die in der Evaluationsperiode explizit mit Nordrhein-Westfalen stattgefunden hat, jedoch bleibt natürlich zu sagen, dass NRW als Teil von Deutschland ebenfalls eine Rolle im pentalateralen Energieforum spielt. Außerdem hat sich die nordrhein-westfälische „EnergieAgentur.NRW“ dem BEN!EX angeschlossen, um wechselseitig Wissen und Erfahrungen austauschen zu können[22].
Arbeitsmobilität
Auch das Thema Arbeitsmobilität hat aufgrund der Tatsache, dass die Grenzen zwischen den Benelux-Staaten und Deutschland schon lange für Personen- und Arbeitsverkehr offen sind, eine lange Geschichte[23]. Gerade in den Grenzregionen arbeiten viele Menschen in einem anderen Land als in dem, in dem sie wohnhaft sind, was zwar möglich ist, aber auch heute noch immer Herausforderung im steuerrechtlichen und sozialen Bereich mit sich bringt[24].
Ziel der Zusammenarbeit im Bereich Arbeitsmobilität ist das Senken der Schwellen für das Arbeiten über Grenzen hinweg, indem der persönliche und digitale Service und die Informationsbereitstellung für Grenzpendler verbessert und die grenzüberschreitende Anerkennung von Abschlüssen gewährleistet wird[25]. Aufbauend auf Empfehlung verschiedener Akteure wurden 2014 mehrere zentrale Zielsetzungen für die Arbeitsmobilität formuliert, darunter die automatische wechselseitige Anerkennung höherer Bildungsabschlüsse, die Untersuchung von Möglichkeiten für Praktika und Sprachzertifikate, das Unterhalten des Benelux-Informationsportals, die Koordination von Dienstleistungen für Grenzpendler durch das Generalsekretariat und das Bereitstellen von Daten über den Arbeitsmarkt[26]. NRW spielt eine besonders wichtige Rolle in dieser Zusammenarbeit[27]. 2009 wurde beispielsweise im Rahmen der Intensivierung der Zusammenarbeit der Bildungsministerien in NRW und den Niederlanden eine Informationsplattform für Grenzpendler über das Wohnen und Arbeiten in einem Nachbarland auf den Weg gebracht[28]. Ebenso arbeiten Belgien und NRW bilateral zusammen[29]. Nordrhein-Westfalen beteiligt sich außerdem an der Verwendung von Statistiken über den Arbeitsmarkt in den relevanten Grenzregionen zur Formulierung von Richtlinien[30].
Ein Beschluss der automatischen wechselseitigen Anerkennung von höheren Bildungsabschlüssen wurde 2015 vom Ministerkomitee unterzeichnet[31]. Dieser wurde 2018 um einen gleichartigen Beschluss zu associate degrees und Doktoraten ergänzt[32]. Außerdem wurden Richtlinien für die Übertragbarkeit von beruflichen Qualifikationen herausgebracht[33]. Im Mehrjahresplan 2017-2020 war das Ziel formuliert worden, dass diese Qualifikationen über die Grenzen hinweg anerkannt würden[34]. Das Online-Portal der Benelux-Union für Grenzpendler wird laufend aktualisiert, jährlich werden Informationsbroschüren herausgebracht und es finden regelmäßig Beratungen mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen statt[35].
Es ist unterschiedlich, wie der Ertrag der Arbeitsgruppe im Bereich Arbeitsmobilität bewertet wird, während Belgien und Luxemburg eher Wert auf die Beziehungen an sich legen, wollen die niederländische und deutsche Vertretung eher zu konkreten Ergebnissen kommen[36].
Nordrhein-Westfalen wirkt zwar in allen Teilbereichen der Arbeitsmobilität mit, hat aber durch die juristischen Instrumente der Benelux-Union nur einen begrenzten Einfluss[37]. Insgesamt ist festzustellen, dass in der Evaluationsperiode der Studie nicht alle Ziele erreicht werden konnten, so sind zum Beispiel auf dem Gebiet grenzüberschreitender Praktika zur beruflichen Qualifikation keine weiteren Entwicklungen zu verzeichnen[38].
Zwischenfazit
Während der Evaluationsperiode der Clingendael-Studie 2020 konnte eine deutliche Intensivierung und Ausweitung der Kooperation der Benelux-Union mit NRW seit ihrem Beginn festgestellt werden. Vor allem ist hier der Bereich innere Sicherheit hervorzuheben, in dem besonders viele Fortschritte gab. Wie sich diese Entwicklung nach der Erneuerung des Kooperationsvertrags 2019 fortsetzt, wird im folgenden Teil der Aufsatzserie Gegenstand sein.
Literaturverzeichnis
BENELUX-UNION, NRW, Politische Erklärung der Regierungen der Mitglieder der Benelux und von Nordrhein-Westfalen über die Entwicklung einer engeren Zusammenarbeit, Bonn 2008.
KLUFT, Suzanne; NUNES, Adriaan; WILMS, Peter, Evaluatie Benelux Unie Samenwerking, Den Haag 2020.
[1] BENELUX-UNION, NRW, Politische Erklärung der Regierungen der Mitglieder der Benelux und von Nordrhein-Westfalen über die Entwicklung einer engeren Zusammenarbeit, Bonn 2008.
[2] Vgl. KLUFT, Susanne/NUNES, Adriaan/WILMS, Peter, Evaluatie Benelux Unie Samenwerking, Den Haag 2020, S. 55.
[3] Vgl. ebd.
[4] Vgl. ebd.
[5] Vgl. KLUFT/NUNES/WILMS, Evaluatie, S. 56.
[6] Vgl. KLUFT/NUNES/WILMS, Evaulatie, S. 57.
[7] Vgl. KLUFT/NUNES/WILMS, Evaluatie, S. 66.
[8] Vgl. ebd.
[9] Vgl. KLUFT/NUNES/WILMS, Evaluatie, S. 67.
[10] Vgl. ebd.
[11] Vgl. KLUFT/NUNES/WILMS, Evaluatie, S. 68.
[12] Vgl. KLUFT/NUNES/WILMS, Evaluatie, S. 71.
[13] Vgl. ebd.
[14] Vgl. ebd.
[15] Vgl. KLUFT/NUNES/WILMS, Evaluatie, S. 60.
[16] Vgl. ebd.
[17] Vgl. ebd.
[18] Vgl. ebd.
[19] Vgl. ebd.
[20] Vgl. KLUFT/NUNES/WILMS, Evaluatie, S. 61.
[21] Vgl. ebd.
[22] Vgl. KLUFT/NUNES/WILMS, Evaluatie, S. 63.
[23] Vgl. KLUFT/NUNES/WILMS, Evaluatie, S. 46.
[24] Vgl. ebd.
[25] Vgl. ebd.
[26] Vgl. KLUFT/NUNES/WILMS, Evaluatie, S. 46f.
[27] Vgl. KLUFT/NUNES/WILMS, Evaluatie, S. 46.
[28] Vgl. ebd.
[29] Vgl. ebd.
[30] Vgl. ebd.
[31] Vgl. KLUFT/NUNES/WILMS, Evaluatie, S. 47.
[32] Vgl. ebd.
[33] Vgl. ebd.
[34] Vgl. ebd.
[35] Vgl. ebd.
[36] Vgl. KLUFT/NUNES/WILMS, Evaluatie, S. 48.
[37] Vgl. ebd.
[38] Vgl. ebd.